Ich habe mich mit der hier zu besprechenden Interpretation Karajans von der siebten Symphonie Bruckners, realisiert durch die Wiener Philharmoniker, lange Zeit sehr schwer getan. Ich kannte sie bereits, bevor ich mir Karajans erste Einspielung von Bruckners Siebter, von EMI mit den Berliner Philharmonikern in der Berliner Jesus-Christus-Kirche produziert, zulegte. Diese ward schnell meine Lieblingsaufnahme, doch seit rund zwei Jahren lerne ich zudem Karajans letzte seiner drei Aufnahmen von der Siebten schätzen, die vorliegende mit den Wienern im Großen Saal des Wiener Musikvereins. Ja, sie fasziniert mich zunehmend.
Wer Karajans EMI-Einspielung von 1971 mag, wird nicht automatisch seine mit den Wiener Philharmonikern von 1989 mögen und umgekehrt. Die Unterschiede zwischen beiden sind dafür zu eklatant. Mich hat an der späteren zunächst vor allem zweierlei gestört: Zum einen hatte ich meine Probleme mit der ruhelosen, vorwärtsdrängende Anspannung in den ersten beiden Sätzen (bei der Uhr nach nicht sonderlich schnellem Tempo!), während die Berliner auf der EMI-Aufnahme gelöst und genießerisch musizieren; Zum anderen vermisste ich Durchsichtigkeit. Etliche Details und Vielschichtigkeiten der Partitur werden kaum oder gar nicht hörbar-- im Gegensatz zur EMI-Einspielung. (In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass mir heute die Aufnahme von 1989 in einer per „Original-Image-Bit-Processing“ remasterten Version auf einer Shm-CD vorliegt und früher in der ursprünglichen,d.h. noch nicht remasterten, wobei die Transparanz auf beiden mäßig ausfällt. Die EMI-Aufnahme besitze ich von Anfang an remastert in der CD-Ausgabe der Reihe „The Karajan Collection“.)
Beide genannten Kritikpunkte sind jedoch mit dem verknüpft, was mich inzwischen an Karajans letzter Interpretation fasziniert: Er zwingt dem Werk eine ganz bestimmte eindimensionale Struktur ab, indem er eine der vielen Orchesterstimmen deutlich hervor- und abhebt. Die übrigen erfüllen nur noch die Funktion einer im Hintergrund wallenden Begleitung. Ihr Klang ist dabei äußerst sublim. Zudem ist der zeitlich lineare Fortgang völlig auf die Erschaffung sehr weitreichender Spannungsbögen ausgerichtet (daher das drängende Moment). Abwechslungen und Brüche in der Spielweise sind nicht zugelassen. Sogar die Unterschiede in der Dynamik werden gering gehalten. Der musikalische Ausdruck gewinnt mit diesen Mitteln eine enorm forcierte Intensität, die in meinen Ohren vor allem traurig und schön zugleich anmutet.
Wer sich zum ersten Mal eine Einspielung von Bruckners Siebter zulegen möchte und mit dem Werk noch wenig vertraut ist, greife wohl lieber z.B. zu Karajans rund und schön ertönender EMI-Aufnahme (Sinfonie 7) oder, falls er mehr nüchterne Solidität bevorzugt, zu der von Janowski mit dem Orchestre de la Siusse Romande, bei der alle Stimmen sehr kontrolliert ausbalanciert zu Gehör gebracht werden (Sinfonie 7). Sie eröffnen einen vielseitigeren und durchsichtigeren Blick auf die Komposition, die man so besser kennenzulernen vermag. Dies ändert aber nichts daran, dass Karajans „Vermächtnis“ (die Aufnahme mit den Wienern ist seine letzte überhaupt und nur drei Monaten vor seinem Tod entstanden) mit der willensstarken steten Fokussierung auf einen musikalischen Gedanken eine der eindrucksvollsten und bedeutendsten Interpretationen von Bruckners siebter Symphonie darstellt -- daher bei aller Streitbarkeit, die ihr eigen, fünf Sterne.
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